Archiv | 5 feb. 2016
Deadpools soziales Umfeld: Wer ist hier asozial!?
Deadpool ist die vielleicht kontroverseste Comic-Figur überhaupt. Das fängt schon damit an, dass keine einheitliche Entstehungsgeschichte existiert. Die gängigste Interpretation liest sich so: Der jugendliche Wade Wilson diente der Armee als Söldner, bis ihm Krebs diagnostiziert wurde. Danach meldete er sich freiwillig als Testsubjekt für das Projekt Waffe X, das auch Wolverine mit Adamantium ausstattete. Die Experimente von Waffe X waren allesamt eine so große Gefahr für Leib und Leben, dass die Wachen sogar Wetten darauf abschlossen, welche Testperson wohl zuletzt sterben würde; im Englischen nennt man so eine Wette auch “dead pool”. Für Wade Wilson ging es aber glimpflich aus, denn Waffe X verlieh ihm mit Erfolg enorme Selbstheilungskräfte und rettete so sein Leben. Allerdings war nicht alles eitel Sonnenschein, denn das Experiment entstellte seinen Körper nachhaltig. Dennoch: Er überlebte. Und weil er von den morbiden Wetten der Wachen wusste, verpasste er sich auch gleich den uns bekannten Namen.
Selbst wenn man von dieser Entstehungsgeschichte ausgeht, bleiben viele Fragen offen: Ist Wade Wilson Kanadier oder US-Amerikaner? Starben seine Eltern eines natürlichen Todes oder hat er sie umgebracht? Leidet er an Amnesie oder “nur” an schweren Persönlichkeitsstörungen? Die Comics liefern zig verschiedene Antworten und geben dem Rezept “Undurchschaubarkeit” noch einen ordentlichen Löffel Verwirrung hinzu, weil der Söldner mit der großen Klappe regelmäßig die vierte Wand durchbricht. Soll heißen: Deadpool redet bisweilen, als wäre er sich seiner Fiktionalität bewusst. Äußerungen wie “in der nächsten Ausgabe werdet ihr schon sehen” sind also an der Tagesordnung. Wer sich ein genaues Bild von dem kontroversen Söldner machen möchte, wird mit Widersprüchen geradezu überschüttet. Doch wie heißt es so schön: Zeig mir deine Freunde und ich sag dir, wer du bist. In diesem Sinne werfen wir in diesem Artikel einen Blick auf Deadpools Umfeld, genauer seine wichtigsten Freunde, Feinde und Frauen.
Deadpools Freunde: Verrückt oder tolerant. Oder beides
Wer mit Deadpool befreundet ist, muss ziemlich verrückt sein oder ein hohes Maß an Toleranz besitzen. Oder beides. Denn mal ehrlich, Deadpool kann ganz schön nerven. Der Kerl hört einfach nicht auf zu reden, zudem zeigt er ein sehr ausgeprägtes sadistisches Wesen. Trotzdem lassen sich einige Zeitgenossen finden, die mehr oder weniger gern mit ihm zu tun haben. Jack Hammer zum Beispiel, besser bekannt als Weasel. Lange Zeit galt er nicht nur als Sidekick von Wade, sondern sogar als sein bester Freund! Er versorgt Deadpool regelmäßig mit Informationen, Technik und Waffen. In jüngeren Jahren besuchte Weasel übrigens dieselbe Schule wie Peter Parker und hatte einen lukrativen Job in Aussicht – der ihm aber von einem zeitreisenden Deadpool verbaut wurde. Toller Freund.
Deutlich komplizierter ist Wades Beziehung zur blinden Greisin Blind Al, auch Alfred oder Althea genannt. Ursprünglich wurde Deadpool angeheuert, um die britische Regierungsagentin zu töten. Allerdings machte der Söldner mit der großen Klappe stattdessen eine Geisel aus ihr. In ihrer jahrelangen Gefangenschaft behandelte Deadpool sie mal wie eine Mutter, mal ließ er seine grausame Seite heraushängen und sperrte sie in eine Kiste. Ähnlich komplex begann Wades Freundschaft mit Cable, dem früheren Leiter der New Mutants. Mehrmals versuchte Deadpool, diesen zur Strecke zu bringen, doch durch einen Fehler ihrer Transportationsgeräte wurden die beiden eines Tages aneinander gekettet und mussten lernen, sich gegenseitig zu respektieren. Niemals würden sie das Wort “Freund” in den Mund nehmen, um den anderen zu beschreiben. Doch seitdem stehen sie sich immer zur Seite.
Bob, ein ursprünglicher HYDRA-Agent, gilt als langjähriger und geradezu unterwürfiger Freund von Deadpool. Nachdem der Anti-Held es auf HYDRA abgesehen hatte, folterte er Bob so lange mit einem Sicherheitsausweis (ja, einem Sicherheitsausweis!), bis dieser die Seiten wechselte. Man kann nicht wirklich behaupten, dass Deadpool seitdem freundlicher zu ihm ist, dafür macht es Wade einfach zu viel Spaß, ihn zu hänseln. Manchmal gibt Deadpool sich beispielsweise als Bob in dessen Blog aus, wodurch sich Sätze dieser Art erklären lassen: “Ich bin HYDRA-Agent und ein kleiner, feiger Typ und wenn jemand eine plötzliche Bewegung macht, quieke ich wie Britney Spears …”
So was wie eine echte Freundschaft pflegt er mit der SHIELD-Agentin Emily Preston. Wobei, ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber von vorne: Als tote Ex-Präsidenten als Zombies die USA unsicher machten, wählte Preston den Söldner mit der großen Klappe, um das Problem zu lösen. Inniger wurde die gemeinsame Bindung, als die Agentin starb. Wade beherbergte daraufhin ihren Geist eine Zeit lang in seinem Kopf. Inzwischen mit einem künstlichen Körper versehen, kümmert sich Emily Preston um seine Tochter. Auch gegenüber dem kindlichen Klon Genesis zeigte sich Deadpool auf seine Art und Weise fürsorglich: Der Junge erhielt von Wilson viele väterliche Ratschläge … und genauso viele Playboy-Magazine.
Trotz seiner meist egoistischen Lebensart ist es Wades sehnsüchtiger Traum, Mitglied einer Superheldenvereinigung wie den Avengers zu werden. Nicht nur mit Captain America sondern auch mit Wolverine verbindet Deadpool die gemeinsame Erfahrung bei Projekt Waffe X. Respekt zeigt er allerdings nur dem Captain gegenüber. Dennoch: Wenn man sich Deadpools Umgang mit seinem engsten Umfeld so ansieht, drängt sich ein altbekannter Spruch auf: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Und um diese geht es jetzt.
Deadpools Feinde: Terroristen, Doppelgänger und Dracula
Ein Mann wie Deadpool macht sich in seinem Leben viele Feinde. Auch wenn die meisten von ihnen nicht lange am Leben bleiben, gibt es einige, die den Titel Erzrivale verdienen. Einer von ihnen ist T-Ray. Bei seinem ersten Auftritt behauptete dieser Schurke, der wahre Wade Wilson zu sein. Laut seiner Aussage handelte es sich bei Deadpool ursprünglich um einen unbedeutenden Killer namens Jack, der die Identität des Lehrers Wilson annahm, nachdem er versehentlich dessen Frau getötet hatte. Um Rache zu üben, tauschte der “echte” Wade darauf seine Seele gegen übernatürliche Kräfte ein und gab sich den Namen T-Ray. Die Story wurde zum Teil widerlegt, der Feind blieb jedoch erhalten. Auch Taskmaster macht Deadpool gerne das Leben zur Hölle. Er besitzt seit seiner Kindheit die Gabe, alles perfekt zu imitieren, was er gesehen hat und kann bei anderen Menschen jede Handlung im Voraus erahnen. Nur nicht beim unberechenbaren Deadpool!
Manchmal muss sich unser Anti-Held sogar mit einer ganzen Terrorzelle anlegen. Gemeint ist ULTIMATUM, eine Organisation, die unter der Leitung von Flag-Smasher das Ziel verfolgt, Staatsstrukturen und Nationalismus auszumerzen. Ähnlich gefährlich ist Wades böser Doppelgänger Evil Deadpool, der eine interessante Entstehungsgeschichte hat. Die Stalkerin Dr. Ella Whitby stellte Deadpool eine ganze Weile nach, allerdings mit wenig Erfolg. Da ihre Obsession kein Ende kannte, bastelte sie sich in bester Frankenstein-Manier kurzentschlossen ihren eigenen Deadpool aus verschiedenen Körperteilen. Bevor ihr Werk vollendet wurde, nahm sie sich allerdings das Leben und Wade entsorgte ihre grausige Sammlung im Müll. Doch auf mysteriöse Weise vereinigten sich die Teile zu einer bösartigen Inkarnation. Würg.
Fast noch persönlicher ist Deadpools Verbindung zu Bullseye. Als Kinder besuchten sie dieselbe Schule und brannten diese vermutlich auch gemeinsam ab. Bullseye besitzt eigentlich keine Superkräfte, abgesehen von dem erstaunlichen Talent, sein Ziel niemals zu verfehlen. Durch einen morbiden Humor und eine komplexe Hassliebe verbunden verbringen die beiden Berufskollegen gerne ihre Zeit miteinander. Meistens mit dem Plan, sich gegenseitig umzubringen. Weniger kompliziert ist Wades Beziehung zu Dracula. Der Herr der Vampire erteilte ihm einst den Auftrag, auf seine künftige Braut aufzupassen, Deadpool nahm sie jedoch selbst zur Frau. Damit holte er sich nicht nur Liebesglück in sein Leben, sondern auch einen überaus rachsüchtigen Feind. Apropos Liebesglück …
Deadpools Frauen: Es ist kompliziert
Frauen stehen bei Männern auf Narben. Es sei denn, das ganze Gesicht sieht aus wie eine topographische Karte von Utah. Frauen mögen Männer mit Humor. Es sei denn, der jeweilige Mann behauptet von sich, ständig in die Hose zu machen, um nicht die Werbung zu verpassen. Frauen haben auch eine Schwäche für böse Jungs. Es sei denn, der Auserwählte prahlt ständig damit, wie viele Menschen er getötet hat. Auf Deadpool trifft das alles zu, trotzdem fand auch er sein Glück bei der einen oder anderen Lady. (Und damit meinen wir nicht seine bizarre “Alter Ego-Familie” Lady Deadpool, Headpool, Dogpool und Kidpool, die aus alternativen Universen zu ihm kamen.)
Da wäre beispielsweise die blauhäutige Vanessa Carlysle, auch bekannt als Copycat. Wie der Name bereits andeutet, handelt es sich um eine Gestaltwandlerin. Logische Konsequenz also, dass Deadpool in manchen Liebesnächten von ihr verlangt, das äußere Erscheinungsbild einer anderen Superheldin anzunehmen. Eine Beziehung hatten die beiden übrigens schon, als Wade Wilson noch als gewöhnlicher Auftragskiller arbeitete. Der Krebs veranlasste ihn jedoch dazu, die Beziehung zu beenden und erst wieder aufzunehmen, nachdem Copycat ihren Auftrag, Cable zu töten, nicht erfüllte. Endgültig beendet wurde ihr Verhältnis, als Deadpool gewissermaßen zum Stalker seiner Kollegin Siryn wurde. Obwohl ihr Vater Banshee sie vor dem Anti-Helden warnte, versprach sie Deadpool, sich auf ihn einzulassen, sollte er ihr zuliebe jegliche kriminellen Handlungen unterlassen. Drei Mal dürft ihr raten, wie lange das gut ging.
Auch die Romanze zu Sensenfrau Death höchstpersönlich fand keine Erfüllung. Nach einem Picknick mit einem Tanz und einem Kuss stellte sie Deadpool mehr in Aussicht, sobald dieser zu ihr ins Jenseits kommen würde. Wade bemühte sich in der Folge nach Kräften, seinen Heilfaktor loszuwerden, doch der übermächtige Rivale Thanos verfluchte ihn mit Unsterblichkeit, damit die Turteltauben niemals zusammen finden konnten. Etwas mehr Spaß hatte der rote Komiker mit Inez Temple, auch bekannt als Outlaw. Als die beiden unabhängig voneinander engagiert wurden, die Colts des Punisher zu stehlen, entwickelte sich eine turbulente Affäre, bei der sie tagelang nicht das Bett verließen. Das Vergnügen fand ein jähes Ende, als sich Outlaw in Agent X verliebte.
Erwähnen muss man auch Carmelita Carmacho, deren Vater vom Schurken White Man umgebracht wurde. Als Letzterer Deadpool und Carmelita in seine Gewalt brachte, gab sie sich ihrem Mitgefangenen hin, da sie glaubte, ohnehin bald sterben zu müssen. Nach der obligatorischen Befreiung nahm Deadpool seine Maske ab und zeigte ihr sein wahres Gesicht – Carmelita ergriff entsetzt die Flucht. Doch die Episode blieb nicht ohne Folgen, denn Carmelita sollte die gemeinsame Tochter Ellie zur Welt bringen. Zu guter Letzt gibt’s noch Dämonenprinzessin Shiklah, die Deadpool seinem Auftraggeber Dracula ausspannte und glatt zum Altar führte – ein Glück, dass die tödlichen Küsse dieses Succubus unserem Anti-Helden nichts anhaben können. Aber es kommt noch besser: Shiklah findet Deadpool tatsächlich überaus attraktiv! Ohne seine Maske! Die Hochzeit der beiden veranlasste Marvel zu dem Weltrekord, die bisher meisten Comic-Charaktere auf einem Cover abzubilden.
Betrachtet man schlussendlich das soziale Umfeld von Deadpool, kann man fast nur zu der Einsicht gelangen, dass die Figur besonders a-sozial und nicht gerade gesellschaftskompatibel ist. Der Mann ärgert gerne seine Freunde, seinen Feinden gegenüber ist er ein absolut harter Knochen. Und sein Status bei den Frauen? Ganz klar, es ist kompliziert. Vermutlich ist es gerade diese bunte Vielschichtigkeit, die wir an Deadpool lieben. Sein Humor, der sämtliche Grenzen sprengt. Und dass wir durch ihn unsere schlimmsten Seiten ausleben können. Deadpool ist das, was wir niemals sein können (zum Glück!). Aber es hat was ekstatisch Befreiendes, ihn auf seinen Comic-Abenteuern zu begleiten.